Hühnerleben (2011)

P1030773Nach einem halben Jahr Vorrecherche hatte ich im Jahr 2011 die Gelegenheit, für den WDR eine vierteilige Serie über einen Hähnchenmastbetrieb mit 40.000 Tieren zu drehen. Wir waren bei der Anlieferung der Küken dabei, haben den Amtstierarzt in den Stall begleitet, haben die Hähnchen wachsen sehen und auch bei der „Ausstallung“ und dem Abtransport in die Schlachterei gedreht.

Besitzer des Hühnerstalles war ein junger Landwirt, der diese Arbeit aus Überzeugung macht. Seine Motivation, den Dreharbeiten zuzustimmen: „Ich mache hier nichts Verbotenes. Ich habe keine Lust, mich dafür immer verstecken zu müssen.“ Und genau so habe ich ihn erlebt: Offen, selbstbewußt, sehr fachkundig und reflektiert. Ich hatte es nicht nötig, geheime Aufnahmen zu machen oder mich nachts um den Stall zu schleichen, weil es nichts gab, was ich nicht zeigen oder fragen durfte. Wir haben über die Todesrate in diesem Stall gesprochen, warum sein Stall keine Fenster hat und die Hähnchen kein Tageslicht bekommen, und er hat mir eine Menge über Antibiotika erzählt, ohne die brisanten Fragen dazu auszusparen. Insgesamt war das ganze Jahr der Zusammenarbeit mit ihm ein ständiges Ausloten von Nähe und Distanz, Information und Gegenrecherche, Skepsis und Verifizierung, aber auch von Respekt und Anerkennung.

Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland würde nicht ausreichen, um alle Hähnchen, die wir Deutschen essen, in Freilandhaltung groß zu ziehen, hat mir ein Amtstierarzt erklärt. Also hilft es nicht, nur die Abschaffung von Massentierhaltung zu fordern – wir müssen auch einfach weniger Fleisch essen, wenn wir eine solche Tierhaltung nicht wollen.

Ja, ich esse noch Hühnerfleisch. Aber nur noch, wenn ich wirklich Appetit drauf habe. Ich achte inzwischen sehr darauf, Fleisch nicht dauern irgendwo „untergejubelt“ zu kriegen. In manchen Restaurants gibt es heutzutage keinen einzigen vegetarischen Salat mehr auf der Karte, und das ist der eigentliche Skandal in meinen Augen.

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