Rund 100 Köpfe haben wir gezählt beim ersten Selbsthilfekongress „DIS-kurs“ am 2./3. Februar 2013 im PFL-Tagungszentrum in Oldenburg. Eigentlich waren es viel mehr Besucher/innen: Es war ein Selbsthilfe-Kongress, organisiert von Betroffenen mit so genannter „multipler Persönlichkeit“, (medizinisch: Dissoziativer Identitätsstruktur oder Identitätsstörung) – einem Überlebensmechanismus, bei dem die Seelen gefolterter Menschen sich in mehrere Einzel-Persönlichkeiten („Innenpersonen“) aufspalten. In einem Körper, der in einem der Tagungssessel sitzt, können also Dutzende von Personen mitgehört haben.
Es gibt eine Video-Dokumentation des Kongresses (Bestellformular hier) und viele Erfahrungsberichte von Besucher.innen auf der Webseite von Lichtstrahlen Oldenburg e.V.
Die drei Veranstalterinnen („Malwidas“, „Paula und Co“ und „Nicki und die Bärenbande“, das sind Pseudonyme für „multiple Systeme“, wie sie sich selbst nennen), haben diesen Kongress anderthalb Jahre lang vorbereitet. Ich war als Helferin für den Verein Lichtstrahlen Oldenburg e.V. dabei und habe mit den Protagonist/innen des multiplen Systems „Nicki und die Bärenbande“ meinen Film „Ein Körper mit System“ in einem der Workshops gezeigt.
In eindrucksvollen Vorträgen, einem Rollenspiel, Workshops, mit einer Ausstellung und einer eigens für den Kongress erstellten Foto-Show haben Malwidas, Paula und Co und Nickis und die Bärenbande von ihrem Ausstieg aus den Täter/innenkreisen und aus der erlittenen Gewalt erzählt, von den Strafverfahren gegen die Täter, die sie ausgelöst haben, und von ihren Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem, Gutachter/innen und Therapeut/innen. Nach den Vorträgen hatten die anderen Betroffenen ausreichend Gelegenheit für Fragen und eigene Erfahrungsberichte. Teilweise war es im Saal so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Am Ende gab es endlos langen Applaus im Stehen für diese einmalige, sensible und unendlich wichtige Veranstaltung. (Fotos gibt es nicht, weil die Teilnahme am Kongress anonym möglich sein sollte. Auf der Videodokumentation haben wir mit viel Arbeit im Schnitt ausdrücklich nur Menschen gezeigt, die der Veröffentlichung zugestimmt haben. )
Den 100 (oder eben deutlich mehr) häufig selbst betroffenen Zuhörerinnen und Zuhörern haben die drei Veranstalter/innen mit ihren mutigen Vorträgen aus der Seele gesprochen. Sie haben eindrückliche Worte gefunden für ihre Erfahrungen, ihre Probleme, Wünsche und Forderungen an die Gesellschaft, Justiz, Gesundheitssystem und Politik.
Ein Erfahrungsbericht der drei Veranstalterinnen ist auch im Blog von Paula und Co nachzulesen.